In: IZPP – Internationale Zeitschrift für Philosophie und Psychosomatik.
Einleitung:
Politische Theorien bauen ungeachtet ihrer Differenzen auf rational-vernünftig handelnde Akteure. Eine Handlung ist rational-vernünftig, wenn sie logisch, willentlich und kontrolliert geschieht, im Gegensatz zu irrational, d. h. emotional bestimmten Verhaltensweisen. Die vorherrschende Dichotomie von Rationalität und Emotionalität, die von der Antike bis zum Ende des 20. Jahrhunderts die Handlungstheorien prägte, ist durch die neuen Erkenntnisse der Hirnforschung aufgehoben worden. Die Neurowissenschaftler sind heute in der Lage, mittels bildgebender Experimente, den Prozess der Entscheidungsbildung zu durchschauen und zu enträtseln. Ihr Befund lautet: Die rationalen Urteile werden zunächst in den Gefühlszentren des Gehirns bewertet und abgesegnet. Denken und Fühlen schließen sich nicht aus, sondern sind komplementäre Erkenntnisformen. Die Entscheidungen, die der Mensch trifft oder die Ereignisse, die er erlebt, führen entweder zu einem Zustand der Zufriedenheit und des Wohlbefindens oder zum Unbehagen und zur Verdrossenheit. Die so erzeugten positiven bzw. negativen Gefühle aktivieren die Lust- bzw. Schmerzzentren im Gehirn, die gleichen Areale, die für physischen Genuss oder körperliche Verstümmelung zuständig sind. Übertragen auf die politischen Verhältnisse bedeutet das: Die Gefühle haben das erste und das letzte Wort, wenn es um politische Entscheidungen geht.